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Interviewserie Gyms vs. Corona – Jörg Becker-Inglau vom Sticks & Stones Münster

Die Idee der Interviewserie ist es deutschen Gyms und Gymbesitzern die Möglichkeit zu geben über ihren wirtschaftlichen und persönlichen Umgang mit der Corona-Situation zu sprechen. Das Ziel ist es für mehr Verständnis innerhalb der Community und darüber hinaus zu sorgen und einen offenen Austausch zwischen den Gyms anzuregen.

Unser nächster Gesprächspartner ist Jörg vom Sticks & Stones Münster. Er ist einer der Macher in unserer Branche und was als kleine Trainingsgruppe begann, ist heute ein professionelles und herzliches Kampfsport Cross Training Gym im schönen Münster. Über das hochwertige Training hinaus setzt sich Jörg für Kinder und in der Integrationsarbeit ein und verbindet somit Kampfsport mit sozialem Engagement. Trotz der Krise folgte Jörg erst jüngst seiner Leidenschaft und entschied sich seine ganze Zeit und Aufmerksamkeit dem Gym zu schenken. Lest, wie er zur Zeit die Herausforderungen meistert!

Erzähle kurz etwas über dein Gym und Dich.

Moin, mein Name ist Jörg Becker-Inglau, ich bin seit über 11 Jahren im Bereich BJJ und MMA unterwegs und leite die Kampfsportschule Sticks&Stones in Münster. Entstanden ist das Ganze über diverse Höhen und Tiefen aus einem kleineren MMA-Team, das in einem ziemlich abgerockten Fitness-Studio einen Raum zur Verfügung hatte. Mittlerweile sind wir aber seit fast drei Jahren in eigenen, schönen, professionellen Räumlichkeiten und bieten Kurse im BJJ, Kick- und Thaiboxen, Ringen und MMA sowie BJJ Kindertraining an. Vor Corona haben wir mit stetig steigenden Mitgliederzahlen an der 200er Marke gekratzt, mittlerweile sind es aber eine Handvoll weniger.

Wo findet man Euch online?

Alle wichtigen Infos findet Ihr auf unserer Homepage. Außerdem sind wir natürlich auf Facebook und auf Instagram zu finden.

Was macht das Sticks and Stones Gym, um das Beste aus der Corona Zeit zu machen?

Im Hinblick auf das Training mit unseren Mitgliedern, ist es in unseren Augen sehr schwer etwas Sinnvolles umzusetzen. Der Kampfsport lebt ja nun einmal von der körperlichen Auseinandersetzung und ein Training mit Dummy zu Hause vor der Kamera ist einfach nicht dasselbe. Der Spirit und all das, was am Kämpfen so schön ist, geht da einfach komplett verloren. Natürlich stehen wir trotzdem mit unseren Mitgliedern im Austausch. Es gibt eine WhatsApp-Gruppe, in der zum Beispiel neben täglichen Trainingsaufgaben gesunde Rezepte zum Kochen geteilt werden. In einer anderen WhatsApp-Gruppe wird sich dann eher über alltägliche Dinge ausgetauscht oder auch mal seinem Frust Luft verschafft.

Außerdem wird die Zeit genutzt, um das Gym als Ganzes weiter nach vorne zu bringen. Das reicht von Verbesserungen interner Abläufe, über Optimierung der Trainingsstruktur, Entwicklung von Kurs-Curricula, Planung von neuen Angeboten bis hin zur Planung von Content-Marketing. Vieles bleibt im laufenden Betrieb liegen. Für genau solche Dinge ist jetzt Zeit. Wenn es wieder losgeht, wollen wir besser aufgestellt sein.

Ich selbst bin aktuell für drei Wochen in Brasilien und trainiere bei „The House FC“ in Santos unter Thiago Abreu und Gabriel Rollo. Momentan ist es das Beste, was man als Trainer machen kann. Die Leistungsdichte hier ist extrem hoch und ich möchte gut in Form sein, wenn ich wieder in Deutschland unterrichten darf.

Auf welche Art und Weise stemmt Ihr zur Zeit die finanziellen Herausforderungen?

Zum ersten Lockdown hatte ich das Glück, noch nicht finanziell vom Gym abhängig zu sein. Ebenso keiner der anderen Trainer. Außerdem haben uns eine Vielzahl von Mitgliedern unterstützt, die ohne Ausgleich weitergezahlt haben. So konnten wir zumindest die Fixkosten decken und weitreichendere Verluste meiden. Aufgrund der nebenerwerblichen Selbstständigkeit hätte ich damals ohnehin keinen Anspruch auf Hilfen gehabt. Ohne die Mitglieder hätte es also übel ausgesehen.

Ich war im Sommer so naiv zu glauben, es gäbe keinen weiteren Lockdown und kündigte nach 2 Jahren mit Doppelbelastung meinen Job als Sozialarbeiter. Ich hatte den Kaffee einfach auf und das Gym lief sehr gut. Zum zweiten Lockdown war ich also frisch zu 100% selbstständig, gleichzeitig dann aber auch berechtigt für Hilfen. Heißt, alle Mitgliedszahlungen wurden eingestellt und die November- und Dezemberhilfen beantragt. Dass diese dann erst Ende Januar und Anfang Februar kamen, war bitter, konnte aber durch finanzielle Rücklagen abgefedert werden. Die Hilfen ab Januar sind jetzt erst ab Mitte Februar beantragbar und liegen nur noch bei 90% der gewerblichen Fixkosten. 100 % Umsatzverlust, Erstattung von 90 % der Fixkosten. Was das für die Selbstständigen heißt, die keine finanziellen Rücklagen bilden konnten, kann sich jeder selbst ausmalen. Zumal aktuell noch nicht klar ist, wann das (ohnehin schon viel zu knapp bemessene) Geld überhaupt kommen soll. Es wird also nicht mehr allzu lange dauern, bis wir wieder auf die Solidarität unserer Mitglieder angewiesen sind.

Was machst Du persönlich, um während dieser Zeit mental und körperlich stark zu bleiben?

Der Aufbau des Gyms hat natürlich viel Energie und Zeit gekostet, das Team fehlt mir sehr und insofern ist das natürlich auch auf einer persönlichen Ebene schwer. Ich denke aber, gerade als Kampfsportler lernt man konstruktiv mit solchen Krisen umzugehen.

Dadurch, dass der Kampfsport momentan (abgesehen von meiner Zeit in Brasilien) kürzer kommt, habe ich etwas mehr Zeit mein eigenes Training in den Vordergrund zu rücken und kleinere Verletzungen auszukurieren. Kraft- und Mobilitätstraining absolviere ich fast täglich und zumindest körperlich fühle ich mich besser als in den vergangenen Jahren. Außerdem bilde ich mich in verschiedenen Bereichen (vor allem sportwissenschaftlich) fort, lese viel und beschäftige mich auch mit Themen, für die ich sonst keine Zeit habe. Das ist natürlich positiv.

Unterm Strich ist die Gesamtsituation trotzdem sehr frustrierend. Dass nun nach 11 Monaten in der Pandemie, die einzige Antwort der Politik immer noch ein Lockdown ohne Differenzierung ist, ist mittlerweile nicht mehr nachvollziehbar. Zumal es sich um eine Krise handelt, die unsere Gesundheit betrifft, man allerdings nicht den Eindruck bekommt, dass es der Politik um eine nachhaltige Gesundheitsförderung geht – denn da gehört Sport unausweichlich zu. Nichtsdestotrotz bin ich davon überzeugt, dass es nach der Krise wieder steil bergauf geht. Uns wird es dann sicher immer noch geben, Aufgeben ist schließlich keine Option.

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