Der folgende Artikel ist mein Versuch anhand einiger konkreter Beispiele herauszustreichen wie man einen Posture-Bruch des Gegners zur Vorbereitung verschiedener Takedowns nutzen kann. Ich habe den Artikel komplett frei geschrieben und beschreibe nach bestem Wissen und Gewissen aus über 25 Jahren Mattenzeit in verschiedensten ringerischen Sportarten. Im Prinzip habe ich niedergeschrieben wie ich mir die Dinge selbst erkläre. Ich freue mich über jedes Feedback!
Warum zuerst die Posture angreifen?
Ein Angriff auf die aufrechte Kampfhaltung („Posture“) des Gegners führt fast ausnahmslos zu einer Reaktion, die wiederum eine Öffnung für einen Takedown-Angriff darstellt. Im Vergleich zu einem unvorbereiteten Takedown-Angriff ist die Wahrscheinlichkeit mit einem in dieser Weise vorbereiteten Angriff erfolgreich zu sein ist um ein Vielfaches höher.
Aktion
Start der Situation ist unser Angriff, der unseren Gegner mit einem Posture-Bruch bedroht. Damit ist gemeint den Gegner mit einer Aktion in seiner stabilen (Kampf)haltung so zu manipulieren, dass er ohne eine Gegenreaktion gezwungen wäre stark nach vorne übergebeugt zu stehen und/oder nach vorne umzufallen.
Beispiele für einen solchen Angriff auf die Posture des Gegners sind:
-Zug am Hinterkopf bzw. Nacken
-Armdrag
-Zug am Revers
Reaktion
Natürlich wird sich kein kämpfender Sportler tatsächlich durch eine dieser Aktionen nach vorne zu Fall bringen lassen. Vielmehr wird dieser darum bemüht sein seine Posture zu wahren und entsprechenden Gegendruck aufbauen. Um sich effektiv und stabil nach oben aufrichten zu können ist der Gegner gezwungen einen kleinen Schritt, bzw. einen kleinen Satz (zwei Schritte) nach vorne zu machen. Das ist der Moment, den wir uns für unseren Takedown-Angriff vorbereitet haben.
-Zug am Hinterkopf bzw. Nacken mit einem Schritt und mit Satz
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-Armdrag mit einem Schritt und mit Satz
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-Zug am Revers mit einem Schritt und mit Satz
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Anmerkung:
In gefühlt 90% der Fälle passiert der Schritt mit dem vorderen Fuß (ein Schritt) oder in Form eines kleinen Satzes (zwei Schritte). Sehr selten korrigieren Kämpfer der Stand nur mit dem hinteren Fuß.
Takedown durch Verlängern
Die von uns erzwungene Korrektur des Stands unseres Gegners kann genutzt werden seinen Schritt zu verlängern und ihn durch einen zusätzlichen Schub nach vorne zu Fall zu bringen. Verlängern meint hier den Fuß des Gegners niemals ganz aufsetzten und Gewicht tragen zu lassen, sondern diesen im richtigen Moment nach vorne wegzuziehen. Dadurch bricht der Stand des Gegners und er ist sehr leicht nach hinten zu Fall zu bringen.
Beispiele für eine solche Verlängerung des Schrittes sind:
-Fußfeger (zB kleine Innensichel „ko-uchi-gari“)
-Fußfeger + Mitfallen (ko-uchi-makikomi)
-Greifen des Fußgelenks („ankle pick“)
Anwendungsbeispiele
-Zug am Nacken + ko-uchi-gari
Der Schritt wird durch einen Fußfeger mit dem diagonal gegenüberliegenden Fuß verlängert. Die Griffe an Nacken und Arm des Gegners unterstützen den Gleichgewichtsbruch und führen den Gegner kontrolliert zu Boden.
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-Arm Drag + ko-uchi-makikomi
Der Schritt wird durch einen Beinfeger mit dem diagonal gegenüberliegenden Bein verlängert. Durch das Mitfallen und den dadurch entstehenden Duck mit der Schulter an die Hüfte des Gegners erfolgt der Gleichgewichtsbruch nach hinten. Es ist wichtig, dass trotz des diagonal erfolgenden Angriff mit dem Bein, unsere Arme auf der jeweils gegenüberliegenden Hüftseite des Gegners bleiben, um nicht den Rücken aufzugeben.
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-Zug am Revers + Ankle Pick
Der Schritt wird durch das Greifen des Fußgelenks bzw. der Ferse des Gegners verlängert. Der Gleichgewichtsbruch nach hinten wird durch Schub am gegriffenen Revers verstärkt.
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Takedown durch Blockieren
Eine weitere Möglichkeit die von uns erzwungene Korrektur des Stands unseres Gegners für einen Takedown zu nutzen ist durch das Blockieren seiner Beine und entsprechenden Schub nach vorne. Das Blockieren erfolgt durch das Greifen einer oder beider Kniekehlen und verhindert einen Ausfallschritt nach hinten bzw. die Sprawl-Bewegung.
Anwendungsbeispiele
-Doppelbeinangriff „Double Leg“
Hierbei werden beide Kniekehlen gegriffen um einen Ausfallschritt bzw. den Sprawl zu blocken. Der Schub nach vorne und somit der Fall des Gegners nach hinten erfolgt durch unsere Schulter an der Hüfte des Gegners in Verbindung mit dem Ringerschritt. Unsere Griffe an den Kniekehlen führen die Beine des Gegners zusätzlich an uns vorbei.
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-Überlaufen
Hierbei wird nur eine Kniekehle blockiert und der Stand des Gegners in einem Winkel überlaufen der uns erlaubt ein Bein oder beide Bein zu passieren.
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Takedown-Möglichkeiten bei erfolgreichem Posturebruch
Hier reagiert der Gegner nicht mit Verteidigung seiner Posture und Schritt nach vorne, sondern lässt sich in seiner Haltung brechen. Hierdurch entsteht die Möglichkeit einer Frontheadlock- bzw. Guillotine-Situation. Hier ein paar Ideen wie man hier mit bereits beschriebener Mechanik weiterarbeiten kann:
Arm in – Ouchi-Gari
Lässt sich der Partner in seiner Posture brechen greifen wir eine einarmige „Front Headlock“ Situation. Durch einen Ausfallschritt und die damit verbundene Drehung um die eigene Achse ist der Gegner gezwungen einen Schritt zu machen, den wir mit dem gegenüberliegenden Bein von innen Sicheln und ihn so zu Fall bringen.
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Arm in – Ankle Pick
Lässt sich der Partner in seiner Posture brechen greifen wir eine einarmige „Front Headlock“ Situation. Durch einen Ausfallschritt und die damit verbundene Drehung um die eigene Achse ist der Gegner gezwungen einen Schritt zu machen, den wir mit usnerer freien Hand greifen und im Anschluss den Gegner überlaufen. D’Arce Option.
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Arm in oder No Arm – Opferwurf
Lässt sich der Partner in seiner Posture brechen greifen wir eine einarmige „Front Headlock“ Situation. Mit einem Schritt zwischen den Stand des Gegners lassen wir uns unter seinen Schwerpunkt fallen und bringen ihn mit einer Rückwärtsrolle zu Fall. Unser Fußspann führt den Fall des Gegners und wir landen direkt in der Mount.
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Anmerkung:
Die beschriebenen Techniken bauen auf einer natürlich entstehenden Dynamik zweier voll widerstandgebender (=kämpfender) Partner auf. Tatsächlich ist es gar nicht einfach diese Dynamik im Techniktraining herzustellen. Um eine wettkampfnahe Spannungssituation zu erzeugen, ist es entscheident, dass die Technik an einem kooperativen und entsprechend reagierenden Partner trainiert wird.