Ziele im BJJ
Im BJJ sind die Ziele nicht so offensichtlich wie in anderen Kampf-/Sportarten. Klar, man will den Gegner zur Aufgabe zwingen, aber was ist auf dem Weg dorthin zu tun? Oft ist es einem außenstehenden Anfänger nicht möglich zusagen welcher Kämpfer sich in einer besseren Position befindet.
Wie soll es dann einem Anfänger ergehen, wenn er sich mitten im Geschehen befindet?
Also: Das oberste Ziel ist die Aufgabe des Gegners, aber wir müssen erst einmal eine Reihe von Positionen und Techniken durchlaufen, bevor es überhaupt Möglich ist mit einer Aufgabetechnik anzugreifen. In jeder Position gibt es Zwischenziele , die es zu erreichen gilt, um in der Hierarchie der Positionen aufzusteigen und letztlich den Kampf für sich entscheiden zu können.
Die Positionen kann man mit vielen kleinen „Minispielen“ mit eigenen Zielen vergleichen, die man gewinnen muss, um das „Hauptspiel“ zu gewinnen.
Das Guard Konzept
Lernt man unseren Sport erst kennen, ist es einfach zu denken der Kämpfer in der Unterlage befinde sich in der schlechteren Position. Aber ist das wirklich so?
Das zentrale Konzept für das Grundverständnis des Sports und die Unterteilung von neutralen und dominanten Positionen, ist das Guard Konzept. Im BJJ kann man davon ausgehen, dass sobald der Kampf zu Boden geht, es immer eine Person in der Oberlage und eine Person in der Unterlage gibt. Die obere Person nennt man Passer. Die untere Person nennt man Guardspieler. Der Guardspieler ist aber in keinem Fall automatisch im Nachteil.
Das Hauptkriterium, um zu beurteilen welcher der Kämpfer sich in einer vorteilhaften Position befindet, ist, ob sich die Füße und Beine des Guardspieler zwischen ihm und dem Passer befinden – ist dies der Fall spricht man von einer Guard. Diese ist meistens neutral, kann aber auch leichte Vorteile für den einen oder anderen Kämpfer haben. Je nach Positionierung und der Form der Guard.
Das Ziel des Passers ist die die Guard zu passieren: Sind die Füße und Beine des Guardspielers vom Passer umgangen (passiert) worden, befindet sich der Kämpfer in der Unterlage in einer schlechten, rein defensiven Position und der Kämpfer in der Oberlage ist, ganz klar, in einer dominanten Position.
Das Ziel des Guardspielers ist es die Guard aufrecht zu halten und aus ihr heraus in die Oberlage zu gelangen (zu sweepen) oder den Kampf mit einer Aufgabetechnik zu beenden (zu submitten).
Schnelleren Fortschritt
Man befindet sich mitten im Roll. Man weiß nicht mehr wo oben und unten ist. Egal was man macht es erscheint als reine Kraftverschwendung. was soll man überhaupt als nächstes machen? Und plötzlich muss man tappen.
Als erstes sollte man sich bemühen eine ruhige Atmung zu finden und Pressatmung zu vermeiden. Nur dann kann man mit Übersicht und Köpfchen an die vorliegenden Probleme herangehen. Zudem verhindert es, sich übertrieben auszupowern und seine Energie zu verschwenden.
Tipp: Immer wieder in festen Positionen drei Mal tief durchatmen, dann überlegt weiterkämpfen.
Zusätzlich sollte der Kraftgebrauch runtergeschraubt werden. Vor allem als Stärkerer kann man am Anfang viel mit Kraft durchdrücken, darunter leidet aber der technische Fortschritt und man bleibt auf langer Sicht aus technischer Sicht auf der Strecke bzw. macht langsamere Fortschritte. Die „es funktioniert doch auch so Einstellung“, ist meistens nicht richtig und wird sich gegen gleich Starke oder technisch Bessere, oft als Fehler oder nicht möglich entpuppen.
Um eine klarere Struktur des Geschehens zu bekommen, sich nicht direkt angreifbar zu machen und die Energie sinnvoll zu nutzen, kann man in jeder Position folgende Schritte im Kopf durchgehen :
- In welcher Position befinde ich mich?
- Wie muss ich mich verhalten, um sicher zu sein?
- Welche Aufgabe habe ich?
- Welche Techniken können die Aufgabe erfüllen?
Im Folgenden werden wir die verschiedenen Schritte anhand der Grundpositionen durchgehen.
Grundpositionen
Am Anfang fühlt man sich hoffnungslos überfordert. Es gibt gefühlt tausende Positionen und zu jeder Position nochmal tausende Techniken.
Natürlich gibt es eine große Zahl an Positionen, die man auch im Laufe seiner Karriere kennenlernt, allerdings kann man zur Vereinfachung das Ganze auf acht Grundpositionen herunterbrechen. Das sollte einem helfen, die im Training gelernten Techniken, in seinem eigenen Technikrepertoire einzugliedern und besser im Kopf zu behalten und abzurufen. Logischerweise gibt es auch hier immer eine Ober- und eine Unterlage (ausgenommen im Stand).
- Closed Guard
- Open Guard
- Half Guard
- Side Control
- Mount
- Back Mount
- Turtle
- Stand
Grundverhalten in den Positionen
Jetzt weiß man schon mal wo man sich befindet, aber bevor es überhaupt möglich ist seine Position zu verbessern sollte man erstmal ein gewisses Grundverhalten bzw. Regeln in der jeweiligen Position beachten. Ansonsten passiert es ganz schnell, dass man sich in einer schlechten Position befindet oder sogar zur Aufgabe gezwungen wird. Außerdem sind die Ziele, wie bereits oben erklärt, in den jeweiligen Positionen unterschiedlich.
Grundverhalten Closed Guard
Oberlage:
Verhalten: Auf den Fersen sitzend knien, Oberkörper aufrecht, Hände auf den Bauch
Ziel: Closed Guard öffnen
Unten:
Verhalten: Beine überkreuzen, will Oberen zu sich ziehen und unten halten
Ziel: Sweep oder Aufgabe
Grundverhalten Open Guard
Oberlage:
Verhalten: Kniend mit einem Bein aufgestellt oder in einer Auslage ganz stehen, nicht zwischen die Beine in die Closed Guard laufen
Ziel: Die Guard passieren (an den Beinen vorbeikommen)
Unterlage:
Verhalten: Fußflächen zeigen Richtung Gegner, Hände sind vor den Knien, Knie und Ellbogen sind zusammen, Hüfte zeigt immer Richtung Gegner, Füße und Hände kontrollieren die Distanz und sind nicht auf dem Boden
Ziel: Kontrolle aufbauen, Sweep oder Submission
Grundverhalten Half Guard
Oberlage:
Verhalten: Tief auf den Fersen Knien, auf der nahen Seite Cross Face, auf der entfernten Seite Underhook, den Unteren flach auf den Rücken drücken
Ziel: Passieren (Geklammertes Bein befreien)
Unterlage:
Verhalten: klammert ein Bein, liegt auf der Seite Richtung Gegner, eingeigelt, blockiert Crossface mit beiden Armen
Ziel: Close Guard, Sweep oder Submission
Grundverhalten Side Control
Oberlage:
Verhalten: auf der nahen Seite Cross Face, auf der entfernten Seite Underhook, Tief sitzen, Brust auf Brust
Ziel: Mount, Back Mount, Submission
Unterlage:
Verhalten: Beine aufgestellt, mit beiden Armen das Crossface blockieren oder einen Ellbogen vor den Hals und ein Ellbogen vor die Hüfte
Ziel: Guard aufbauen, Reversal (Oben-Unten Wechsel)
Grundverhalten Mount
Oberlage:
Verhalten: Knie und Fersen eng, Arme weit auseinander oder Crossface und einen Arm weit
Ziel: Back Mount, Submission
Unterlage:
Verhalten: Beine aufgestellt, Ellbogen eng und vor blockieren Oberschenkel, Händen schützen den Hals
Ziel: Half Guard, Guard aufbauen, Reversal (Oben-Unten Wechsel)
Grundverhalten Back Mount
Oberlage:
Verhalten: Seat belt, auf der Seite vom Würgearm liegen oder Kopf unter Kopf des Gegners, Füße an Innenseite der Oberschenkel, die Füße nicht überkreuzen
Ziel: Submission
Unterlage:
Verhalten: Beide Hände an den Würgearm, Kragen nicht übergeben lassen, Würgearm oben, Rücken Richtung Matte bringen
Ziel: Guard aufbauen, Oberlage suchen
Grundverhalten Turtle
Oberlage:
Verhalten: Gewicht seitlich oder von hinten auf die Hüfte bringen, Gewicht nicht über den Oberkörper bringen
Ziel: Back Mount, Side Control
Unterlage:
Verhalten: Knie weit auseinander, Ellbogen an der Innenseite der Oberschenkel, Hände schützen den Hals
Ziel: Guard aufbauen, Oberlage suchen
Grundverhalten Stand
Verhalten: Auslage, im Knie stehen, Oberkörper vorgebeugt, Ellbogen eng, Hände vor der Brust, Hände kontrollieren die Distanz
Ziel: Guard aufbauen, Takedown
[Video: Einführung ins BJJ 1]
Techniken
Nun hat man es geschafft die Position zu erkennen, zu halten und weiß grundsätzlich was zu tun ist. Aber wie kommt man denn jetzt wirklich weiter?
Die Techniken wendet man an, um die Positionen zu wechseln oder die Aufgabe des Gegners zu erzwingen. In der Regel gibt es keine geheimen Techniken. Vor allem die Grundtechniken, kennt nach ein paar Monaten jeder. Es ist daher wichtig die Techniken in der richtigen Reihenfolge, Schritt für Schritt und präzise auszuführen, sonst kann die Technik schnell gekontert werden.
Je höher das Niveau wird, umso mehr kontert man sich gegenseitig technisch aus und verbindet Techniken, um Reaktionen zu erzwingen, die man ausnutzen kann. Deswegen wird der Sport auch oft mit Schach verglichen.
Die gezeigten Techniken sind eine Auswahl, die vergleichsweise leicht umzusetzen sind aber auch eine hohe Erfolgsrate haben. Am Anfang ist es zu empfehlen sich in jeder Grundposition zwei bis drei Techniken anzueignen, die sich am besten gegenseitig komplimentieren. Damit ist gemeint, während ich die eine Technik angreife und der Gegner diese abwehrt, die Abwehrreaktion eine Öffnung für meine zweite Technik ergibt und andersrum. Z.B. beim Cross Choke und dem Hip Bump Sweep aus der Closed Guard.
Übersicht der gezeigten Techniken:
Closed Guard Oben – Öffner
Closed Guard Unten – Cross Choke
Open Guard Oben – Toreando
Open Guard Unten – De La Riva Tripod Sweep
Half Guard Unten – zu Closed
Half Guard Oben – Tripod Pass zu Mount
Side Control Unten – Knee Elbow Escape
Side Control Oben – Americana
Mount Unten – Elbow Escape
Mount Oben – Cross Choke
Back Mount Unten – Hip Escape
Back Mount Oben – Cross Choke
Turtle Unten – Open Guard Recovery
Turtle Oben – Back Take mit erstem Hook
Stand – Guard Pull zur Closed Guard
Stand – Double Leg Takedown mit Setup
Abschluss
Am wichtigsten ist es, dass man bei dem ganzen Spaß hat! Nur dann bleibt man dran und macht Fortschritte. Konstantes Trainieren über Jahre hinweg ist der Schlüssel zum Erfolg. Lasst euch nicht entmutigen und bleibt dran!
Bei Fragen könnt ihr immer gerne auf den Coach oder fortgeschrittene Sportler zukommen, wir helfen euch gerne weiter!
Viel Erfolg und Spaß beim Trainieren
Raphael